
Jungfrauen im Nachthemd -
Blonde Krieger aus dem Westen.
Eine motivpsychologisch-kritische Analyse von J.R.R. Tolkiens
Mythologie und Weltbild
Guido Schwarz
Lesenswert, enttäuschend, schrullig
Guido Schwarz versucht nachzuweisen, dass J.R.R. Tolkiens Weltbild in vielen Bereichen" ein faschistoides" sei. Er versteht sein Buch angesichts der großen Beliebtheit der Tolkienschen Werke als wissenschaftlich fundierte Gesellschaftskritik. Dabei nimmt er für sich einen interdisziplinären Zugang von der Tiefen- und Motivpsychologie über die Philosophie bis zur Soziologie" in Anspruch. Hermeneutik, Dialektik" und Psychoanalyse seien ebenso enthalten.
Wenn dies alles ernst gemeint wäre, könnte der Leser
das Buch schon nach der Einleitung schließen (wozu er auf
Seite 35 auch ausdrücklich aufgefordert wird).
Glücklicherweise hat der Autor seine wissenschaftlichen Vorsätze
aber im Zaum gehalten und ein Buch abgeliefert, dass über
weite Strecken eine mit ironisch-sarkastischen Kommentaren gewürzte
Nacherzählung Tolkienscher Geschichten ist. Dieser lockere
Stil macht den Stoff lesenswert und zieht den Leser durch
das Werk.
Die Message aber ist schräg: mit Hilfe einer verschrobenen Faschismusdefinition findet G. Schwarz überall in Tolkiens Texten angreifbare, weltanschaulich verwerfliche Stellen und fordert unermüdlich vom Tolkienfan Selbsterkenntnis und Besserung. Im Ergebnis erweist er sich viel mehr ideologiegefesselt als Tolkien selbst und steht diesem in Bezug auf Schwarz-Weiß-Denken nicht nach. Die ironische Distanz ist nur eine scheinbare, weil sie dem Autor fehlt, wenn es um die eigenen Prämissen geht. G. Schwarz läuft sogar Gefahr, seinem Bösen, dem Faschismus, neue Attraktivität zu verleihen, indem er den Erfolgsautor Tolkien als mutmaßlich rechten Fundamentalisten denunziert.
Das Thema Zeitbezogenheit und Weltanschauung Tolkiens bleibt auch nach diesem Buch ein spannendes, weitgehend unbearbeitetes Gebiet.